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Der Trabi wird 60

    Sechzig Jahre. Junge, Junge, wir gratulieren Dir, unserem kleinen Freund, dem Trabant 601. Was haben wir mit ihm und er mit uns nicht alles erlebt in den letzten sechzig Jahren.

    In den Urlaub hat er uns gefahren, klaglos mit Dachgepäck und Sonnenschirm an die Ostsee und mit Lebensmitteln vollgepackt auch an den Balaton. Poliert und geschmiert, gewaschen und gewartet haben wir ihn, damit er ein langes Leben hat, denn wir wussten: einen neuen gibt es frühestens in zehn Jahren. Liebespaaren diente er als erste sturmfreie Bude und wenn es neun Monate später ernst wurde, brachte er die werdende Mutter in die Klinik und fuhr die frisch gebackene Familie wieder zurück nach Hause. Baumaterial für die Datsche, kein Problem mit dem HP hinten dran. So glücklich waren sie, die Trabibesitzer, wenn sie denn endlich einen Trabant ihr Eigen nennen durften. Gebraucht wechselten die Trabanten für mehr als den Neupreis den Besitzer. Hauptsache, man hatte einen. Bis, ja, bis sich 1989 die Grenzen öffneten und die Westautos lockten. Am Straßenrand einsam stehengelassen hat man sie, in Tschechien und Ungarn, für die Flucht in das gelobte Land, wo Milch und Honig fließen sollten. Die, die geblieben sind, rollten nach dem 9. November ’89 das erste Mal mit dem treuen Begleiter in den Westen. Nach Bayern, Hessen und nach Niedersachsen und auch die Reeperbahn in Hamburg lernten seine männlichen Besitzer durch ihn kennen.

    Nichts hat er uns krummgenommen, immer blieb er unser treuer Kamerad. Treu geblieben ist er auch sich selber. Außen über fünfundzwanzig Jahre nahezu unverändert, aber in Details weiterentwickelt und ständig verbessert. International war er schon lange nicht mehr konkurrenzfähig, aber in seinem Heimatland gab es stets zu wenige von den kleinen „Plastebombern”. Was nicht ganz richtig ist, denn schon Anfang 1990 hätte man ihn ohne Wartezeiten sofort mitnehmen können. „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben”, so ähnlich hatte es Michail Gorbatschow bereits ausgedrückt, in anderem Zusammenhang natürlich. Das amerikanische „Time Magazine” wählte den Trabant 1989 zum „Auto des Jahres” und als am 17. Januar 1991 der Film „Go Trabi Go” mit Wolfgang Stumph als Udo Struutz in die Kinos kam, wurde der 601 als Schorsch über Nacht zum Filmstar. Und sorgte dafür, die Klischees über West und Ostdeutsche humorvoll und doch deutlich auf die Leinwand zu bringen. Vom Serienanlauf am 1. Juni 1964 bis zu seinem Ende am 25. Juli 1990 verließen 2.818.547 Trabant 601 die Montagehallen des VEB Sachsenring. „Die Liebe höret nimmer auf”, steht im ersten Brief an die Korinther.

    1964: Bandmontage der ersten Trabant P 601 im VEB Automobilwerk Zwickau. Im Hintergrund werden parallel noch die Vorgängermodelle P 600 Universal gefertigt.

    Foto: Archiv Malchow

    Für viele menschliche Beziehungen und auch für den Trabi gilt das jedoch nicht. Entsorgt im Container hat man ihn oder für einen Kasten Bier verscherbelt. Doch ein Trabant stirbt nicht so einfach. Denn irgendwann wurde sie doch wiederentdeckt, die Liebe zum kleinen Zweitakter mit anfangs 23 und später 26 PS. Während bis 2014 die Zulassungszahlen in Deutschland jedes Jahr gesunken waren, steigen diese nun seit zehn Jahren Jahr für Jahr. Mittlerweile sind wieder 40.826 Trabant und damit 10.000 mehr als 2014 auf Deutschlands Straßen unterwegs. Und glaubt man den Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes, sind davon runde 28.300 Trabant 601. Die im Ausland eingelösten Trabis noch nicht eingerechnet. Nicht viele vielleicht, aber dieses eine Prozent von allen je gebauten 601ern wird wieder geliebt und gehütet. Und wenn 34 Jahre nach Produktionsende die Zulassungszahlen weiter steigen, kommt das nicht einem Wunder gleich? Vielleicht ist ja doch was dran. «die Liebe höret nimmer auf».

    Quelle: ROSCHT POSCHT 2/2024
    Text: Supertrabi